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Faszien – ein lange verkanntes Gewebe

Aktualisiert: 5. Okt. 2023

Zu Beginn meiner Rolfingtätigkeit musste ich häufig erklären, was Faszien eigentlich sind. Kaum jemand hatte davon gehört, mit Ausnahme einiger befreundeter Ärzte, die Faszien als lebloses Hüllmaterial rund um Organe und Muskeln kannten. Die besondere Bedeutung der Faszien für unsere Gesundheit war aber auch ihnen meist nicht klar.

Zur Freude vieler Rolfer hat sich das zwischenzeitlich geändert. Faszien sind quasi in aller Munde. Selbst TV und Presse bringen regelmäßig Berichte über Faszien und auch etliche Bücher zum Thema sind heute in fast jeder Buchhandlung vorrätig. Inzwischen liegen sogar wissenschaftliche Studien und Belege vor, die den Zusammenhang von Faszien und Rückenschmerzen bestätigen.

Dieses den gesamten Körper durchziehende Netz aus Bindegewebe spielt in allen unseren Lebensphasen eine tragende Rolle. Und in allen Lebensbereichen, ob im Beruf, beim Sport oder während der Schwangerschaft, sind gesunde Faszien wichtig.


Was genau sind Faszien?

Faszien sind Bindegewebe, die unserem Körper Halt und Form geben. Sie bilden im gesamten Körper ein gigantisches Netzwerk aus Schichten, Hüllen und Strängen aus faserigem Gewebe. Alle inneren und äußeren Strukturen des menschlichen Körpers werden durch das Fasziennetz verbunden.

Dabei umhüllen Faszien nicht nur jede einzelne Muskelfaser, sondern sämtliche Muskeln, Organe, Blutgefäße und Nerven. Faszien bestehen aus Kollagen, Elastin und einer wässrigen Grundsubstanz.


Unser gesamter Körper ist von Fasziengewebe durchzogen, in verschiedenen oberflächlichen und tiefen Schichten. Wie Faszien auf diese Weise unseren Körper in Form halten, lässt sich am Beispiel einer Orange erklären:


Eine aufgeschnittene Orange ist abgebildet. Die jeweiligen "Kammern" der Orange sind durch kleine, feine und weiße Häutchen voneinander abgetrennt.

Das Fruchtfleisch der Orange ist in kleinen Abteilungen von weißen Häuten umschlossen und außen noch einmal von einer festen weißen Haut umgeben, die dicht an der Schale anliegt. Würde man das gesamte Fruchtfleisch entfernen und nur das Weiße übrig lassen, könnte man anhand dieser Struktur die gesamte Frucht und ihre Form rekonstruieren. So wäre es auch mit Faszien im menschlichen Körper: Allein anhand des Bindegewebes, ohne Fleisch und ohne all die Knochen, könnte man in etwa erkennen, wie die Person aussieht.



Dr. Ida Rolf war einer der ersten Menschen, der die Bedeutung der Faszien für die Gesundheit des Menschen erkannte. Dr. Rolf bezeichnete das Fasziennetz als „Organ der Form“ und stellte die Theorie auf, dass sich eine bewusste, genaue und zielgerichtete Mobilisierung dieses Gewebes auf den Körper befreiend und wohltuend auswirken würde.


Durch Rolfing können Geschmeidigkeit und Gleitfähigkeit des Fasziengewebes wiederhergestellt werden. Dies gibt dem Körper mehr Bewegungsfreiheit bei der Erfüllung seiner Funktionen. Dr. Rolfs Ansatz, die Schwerkraft in die Behandlung miteinzubeziehen, war bahnbrechend. Die wissenschaftlichen Forschungsarbeiten der letzten Jahre belegen nach und nach ihre Überlegungen.


Verklebte Faszien – Ursache unerklärlicher Beschwerden

Faszien haben mehr Sensoren als Muskeln. Sie melden Informationen über Bewegung, Druck, Lage, Spannung und Schmerzen des Körpers ans Gehirn und das vegetative Nervensystem. Das Fasziennetz ist das entscheidende Organ der Körperwahrnehmung.

Der Aufbau des Muskels ist in einer Grafik im Querschnitt abgebildet. Muskelzellen verbinden sich zu Muskelfasern, die sich in ihrer Länge durch den Muskel ziehen. Mehrere Muskelfasern bilden Muskelfaserbündel, die durch Muskelfaszien voneinander getrennt sind. Die Muskelfaserbündel und die Muskelfaszien bilden zusammen den Muskel. Er endet an einer Sehne.

Die Gesundheit und die Spannungsverhältnisse in diesem Netzwerk sind entscheidend dafür, wie geschmeidig unsere Muskeln arbeiten, wie unsere Knochen, Wirbel und Organe positioniert sind, wie unsere Gelenke belastet werden. Ohne dieses zusammenhängende Netzwerk aus Faszien würde unser Körper nicht funktionieren.

Die Faszien unterliegen ständigen Veränderungen und stellen sich auf die Anforderungen ein, denen der Körper des Menschen ausgesetzt ist. Auf besondere körperliche Belastungen – wie etwa an den Gelenken – reagieren sie, indem sie zusätzliches Material produzieren, um dadurch den Körper zu stabilisieren und zu stützen. Mit der Zeit wird dann die stabilisierende Wirkung so groß, dass sich Einschränkungen für die Bewegungsfreiheit ergeben, was wiederum zur Veränderung der Körperhaltung und Bewegungsmuster führt.

Bewegungsmangel, Überlastungen, Fehlhaltungen und Stress können die Faszien verhärten und verkleben lassen, was zu Verspannungen und Schmerzen führt.


Rückenschmerzen – oft sind die Faszien Schuld

Die bekannte TV-Sendung „Quarks und Co.” im WDR widmete dem Thema Faszien und Rückenschmerzen eine gesamte Sendung. In diesem sehr sehenswerten TV-Beitrag kommt auch die Wirksamkeit von Rolfing® zur Sprache:


"Geheimnisvolle Faszien - Neues vom Rücken" u.a. mit einem Beitrag zu Rolfing in der Sendung "Quarks und Co" des WDR


Ida Rolf wäre sicherlich begeistert zu erfahren, dass ihre intuitive Annahme in den 1930er Jahren hinsichtlich der Eigenschaft der Faszien heute wissenschaftlich bestätigt wurde. Als das Thema Faszien noch unbekannt war, stand Ida Rolf mit ihren Ansichten über dieses Netzwerk von Bindegewebe alleine da. Es ist wohl auch kein Zufall, dass die bekanntesten Faszienexperten dieser Tage, Dr. Robert Schleip, Dr. Peter Schwind und Tom Myers, selbst Rolfer sind und zum Teil direkte Schüler von Ida Rolf waren.


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